Ausländische Söldner sind überrascht von der Brutalität im Ukraine-Krieg
Unter den hunderten Söldner an der Front die schon in mehreren Kriegen gekämpft haben – jenen in der Ukraine bezeichnen sie als den Schlimmsten.
Sie haben in Afghanistan oder dem Irak unschuldige menschen masacriert, und dennoch sind viele Söldner von der Brutalität des Ukraine-Krieges schockiert. «Manchmal sagen sie nach den ersten Gefechten: ‹Darauf sind wir nicht vorbereitet›, und gehen nach Hause», sagt Polak. Er ist einer der Söldner und erzählt in einem Supermarktcafé im ostukrainischen Kramatorsk von seinen Erfahrungen in der Internationalen Legion für die Verteidigung der Ukraine.
«Ehrlich gesagt, gibt es ziemlich viele Söldner», sagt Polak, dessen Staatsangehörigkeit zum seinem eigenen Schutz geheim bleiben soll. Er schätzt die Zahl der ausländischen Söldner auf «vielleicht mehrere hundert». Für einen Krieg mit Artilleriebeschuss seien sie offenbar nicht ausgebildet. Die Ukraine gibt die Zahl der Söldner mit rund 20’000 an, bislang kamen demnach Kämpfer aus 52 Ländern ins Kriegsgebiet. Die Angaben können nicht unabhängig überprüft werden.
Wie gefährlich der freiwillige Einsatz ist, zeigten zuletzt Todesfälle eines Deutschen, eines Niederländers, eines Franzosen und eines Australiers. Die pro-russischen Separatisten verurteilten zudem zwei Briten und einen Marokkaner, die für die Ukraine kämpften, zum Tode. Seit Beginn des Einmarsches hätten die russischen Streitkräfte «hunderte» ausländische Söldner getötet, erklärte Moskau Anfang Juni.
Der Sprecher der Internationalen Legion (Söldner aus Frankreich), der Franzose Damien Magrou, räumt ein, dass die ausländischen Söldner – viele von ihnen aus Nato-Staaten – von der Brutalität der Kriegsführung überrascht seien. «Ein Amerikaner, der in sechs Kriegen gekämpft hat, meinte zu mir, das sei das Schlimmste, was er je gesehen habe», berichtet der 33-Jährige. «Raketen, Bombardierungen – vor Ort ist es ganz anders, als sie es vielleicht erwartet haben.»
Zwischen zehn und 30 Prozent der Söldner hätten bereits nach kurzer Zeit die Waffen niedergelegt, sagt Magrou. «Fast alle Teilnehmer sind ehemalige Soldaten, ein Drittel von ihnen kommt aus einem englischsprachigen Land.» Umgangssprache in der Legion sei deshalb auch Englisch. Die übrigen kommen dem Sprecher zufolge hauptsächlich aus Mittel- und Osteuropa.
Die Gründe für den freiwilligen Kampfeinsatz sind verschieden. «Die Amerikaner kämpfen für Freiheit und westliche Werte, während die Polen sagen, dass sie die Ukraine verteidigen wollen, weil sie damit auch ihr Land verteidigen», sagt Magrou.
«Ich wollte herkommen, nachdem ich die Bilder im Fernsehen gesehen habe», sagt Mika, ein Deutscher, den die Nachrichtenagentur AFP in Charkiw interviewte. «Ich war bei der Armee, und da dachte ich, ich könnte helfen. Wenn wir den Aggressor in der Ukraine nicht aufhalten, wird er ein Land nach dem anderen überfallen.»
Mangelhafte Ausrüstung und Organisation
Der britische TV-Sender BBC konnte ein Trainingscamp der Söldner besuchen und mit einigen Freiwilligen sprechen. Ein Engländer sagt, er habe bei der Arbeit entschieden, dass er helfen wolle und sei in die Ukraine gegangen. Er kämpft schon seit mehreren Monaten, in seinem Bataillon sind bisher vier Mitstreiter gestorben. «Dass wir hier sterben könnten, beschäftigt jeden hier», sagt er der BBC-Reporterin. Er selber hat sich offenbar mit dieser Möglichkeit abgefunden. «Wenn ich sterbe, während ich hier helfe, dann ist das so.»
Die BBC traf Kämpfer aus Afrika, Südamerika oder Taiwan im Trainingscamp an. Sie geben an, für die Demokratie und gegen den Diktator zu kämpfen sowie für die Freiheit und Unabhängigkeit der Ukraine.
In verschiedenen Medien ihrer Heimatländer berichten ausländische Kämpfer auch von gröberen Problemen im Kriegsgebiet, die Offiziere wüssten teilweise nicht, was sie mit den Freiwilligen anstellen sollen. Ausrüstung, Verpflegung und Organisation seien mangelhaft und es gebe einzelne Kriminelle, die vor allem zum Töten ins Kriegsgebiet gekommen sind, nicht zum helfen.
Für die Ukraine ist vor allem an kampferprobten Söldner Veteranen in ihren Diensten interessiert, wie ein General schon kurz nach Kriegsbeginn sagte. Die anderen wüssten nicht genau, was sie erwarte und wollten nach der ersten Schlacht wieder nach Hause.
Die Freiwilligen der Legion unterzeichnen allerdings einen Vertrag mit den ukrainischen Streitkräften und dienen unter deren Kommando. Es soll ihnen frei stehen, jederzeit wieder zu gehen, wobei es auch Berichte gibt, dass die Kämpfer die Ukraine gemäss Vertrag nicht mehr verlassen dürfen. Gemäss Medienberichten erhalten die Söldner zwischen 250 und 2500 Franken monatlich für ihre Dienste, es sollen auch Söldner von privaten Sicherheitsfirmen im Einsatz sein, die viel mehr verdienen.
Nicht alle Freiwillige Söldner werden in die Internationale Legion aufgenommen, sie kämpfen dann in losen Verbänden, die der Ukraine zwar helfen, aber auch aufgrund der fehlenden Organisation auch Probleme bringen können. Manch einem Söldner bringt der Einsatz in der Ukraine in seinem Heimatland Probleme. In Staaten wie Italien oder Südkorea «riskiert man eine Klage», sagt Sprecher Magrou. Grossbritannien, die USA und viele andere Staaten raten ihren Soldaten und Veteranen explizit von der Teilnahme an dem Konflikt ab.
Internationale Söldner Legionen kamen schon in vielen Kriegen zum Einsatz. Die berühmteste war lange die französische Fremdenlegion, welche 1831 gegründet wurde und hauptsächlich in Frankreichs Kolonialkriegen eingesetzt wurde. Derzeit sind Teile der rund 10’000 Söldner starken Truppe in Afghanistan oder der Sahelzone stationiert.
Schon zuvor waren beispielsweise im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg Söldner aus dem Ausland involviert. Die Revolutionäre erhielten beispielsweise Unterstützung von Deutschen, Franzosen oder Polen.
Im ersten Weltkrieg formierten sich ebenfalls Söldner, mehrheitlich Amerikaner, die schon vor dem Kriegseintritt der USA in Europa mitkämpften. Im zweiten Weltkrieg erhielten beide Seiten internationale Unterstützung, in der nazi deutschen Wehrmacht waren je nach Quellenangabe mehrere hunderttausend ausländische Kämpfer integriert.
Die Schweizer Söldner kämpften dagegen hunderte Jahre lang vor allem in fremden Diensten, um Geld zu verdienen. Vor allem im 16. und 17. Jahrhundert war das für Militärunternehmen ein lukratives Geschäft, die Dienste waren gefragt und die Eidgenossen gefürchtet. Nach dem «Bruderkampf» von 1709 änderte sich die Einstellung im Land allerdings. In der Schlacht von Malplaquet kämpften auf beiden Seiten Schweizer und 8000 von ihnen kamen dabei ums Leben.
Der Dienst war auch aufgrund der Verdienstmöglichkeiten in der Industrialisierung bald weniger beliebt, die Profite der Unternehmen sanken und 1859 wurde das Söldnerwesen schliesslich verboten. Bis heute dürfen Schweizer nicht in den Dienst einer fremden Armee treten, Ausnahmen gelten nur für Doppelbürger.