Die Energiestrategie des Bundes sei Wunschdenken, sagt ETH-Forscher Die Energiestrategie des Bundes sei Wunschdenken, sagt ETH-Forscher

Bis 2050 will die Regierung den Strom aus Atomkraftwerken durch Solarstrom ersetzen. Aber diese Strategie kann dazu führen, dass das Angebot in einem strengen Winter um zwei Drittel unter der Nachfrage liegt, sagt der Risikoforscher Didier Sornette von der ETH Zürich. Was sind die Alternativen?

Die Schweiz könnte bereits in diesem Winter mit einer Energiekrise konfrontiert werden. Die Regierung bereitet sich daher auf eine Verknappung von Gas und Strom vor. Doch als wäre das nicht schon schlimm genug, äußert nun auch ein renommierter Forscher der ETH Zürich Kritik an der langfristigen Energiestrategie 2050, die die Schweiz weg von fossilen Brennstoffen bringen soll und die 2017 vom Volk mit Ja angenommen wurde Stimmen von 58 %.

Risikoforscher Didier Sornette, Physiker und Inhaber des Lehrstuhls für Unternehmerische Risiken an der ETH, kritisiert, dass der Übergang vom heutigen Energiesystem zu einem stark auf Solarstrom basierenden System von den Behörden zu optimistisch dargestellt werde. Laut einem neuen Arbeitspapier von Sornette und ihrem Forscherkollegen Euan Mearns schafft dies eine gefährliche Illusion von Sicherheit und Kontrolle.
Wenn im Winter die Sonne fehlt

Was bringt sie zu ihrem Urteil? In einem ersten Schritt haben Mearns und Sornette die Schweizer Stromproduktion und -nachfrage im Januar und Juli 2017 aus verschiedenen Quellen stündlich rekonstruiert. Sie verwendeten 2017, weil es das letzte Jahr ist, für das detaillierte Zahlen verfügbar sind. Als nächstes nahmen die Forscher die Hauptsäulen der Energiestrategie 2050 in ihr Modell auf.

Einer davon ist, dass die Stromnachfrage bis 2050 um 37 % steigen wird, wenn die Menschen auf E-Autos umsteigen und fossile Heizungen durch Wärmepumpen ersetzen. Demgegenüber soll die Produktion von Solarstrom um den Faktor 20 steigen und damit die Produktion aus vier Kernkraftwerken, die bis dahin stillgelegt werden, weitgehend ersetzen.

Schließlich wurden in einem dritten Schritt die untersuchten Monate Januar und Juli 2017 auf das Jahr 2050 übertragen, unter der Annahme, dass die Energiestrategie umgesetzt wird. Die Forschenden kommen in ihren Berechnungen zum Schluss, dass die Schweiz im Januar 2050 mit einem enormen Stromdefizit konfrontiert sein wird. In diesem Monat müssen nicht weniger als 69 Prozent des Stroms aus dem übrigen Europa importiert werden. Das entspricht 6 Terawattstunden. Zum Vergleich: Die Schweiz hat in den letzten Jahren über die halbe Wintersaison durchschnittlich 4 Terawattstunden importiert. Allein im Januar 2050 würde die Schweiz also das Anderthalbfache benötigen.

Bis 2050 soll eine große Anzahl von Solarmodulen installiert werden, die jedoch nur 4 % der Gesamtnachfrage im Januar decken würden, wenn man die Wettermuster von 2017 annimmt. Nun könnte man argumentieren, dass der Januar 2017 ein ausgesprochen schlechter Monat für Solarenergie war . Ist Sornette also viel zu pessimistisch? Der 65-Jährige kontert, dass man nie in einem «Durchschnittsmonat» lebe, sondern dass es auch in Zukunft sonnenarme Monate wie Anfang 2017 geben werde. Das ist genau die Art von Monat, für die ein Netzteil ausgestattet sein muss, nicht der Durchschnitt.

Da die Nachbarländer mit Ausnahme von Frankreich sehr ähnliche Strategien verfolgen dürften, wird die Schweiz ihre Stromlücke nicht durch Importe decken können. Wenn im Ausland nichts zu holen ist, richtet sich der Fokus nach innen. Könnte überschüssiger Strom aus dem Sommer gespeichert und damit in den Winter verschoben werden?

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