F-35-Initiativkomitee droht Ungültigkeit und hofft auf Express-Abstimmung F-35-Initiativkomitee droht Ungültigkeit und hofft auf Express-Abstimmung

Nächsten Monat wird die F-35-Initiative beim Bund deponiert. Das Parlament könnte sie bereits im Herbst obsolet machen – es droht sogar die Ungültigkeit.

In der Schweiz werden 100'000 Unterschriften benötigt, um eine Volksinitiative einzureichen. Die Unterschriften allein reichen aber nicht: Sie müssen «beglaubigt» werden, sprich, von der Gemeinde einer Stimmbürgerin oder eines Stimmbürgers amtlich überprüft und bestätigt werden. Für Parteien, Organisationen und Komitees bedeutet das hauptsächlich zwei Dinge: viel Arbeit und viel Geld.

Das wissen auch die Verantwortlichen der F-35-Initiative in diesen Tagen: In den Büroräumlichkeiten stapeln sich unzählige Kisten, voll mit beglaubigten Unterschriften. Seit Ende Mai weiss die links-grüne Allianz, dass sie die 100'000er-Grenze geknackt hat. Um sicher zu sein, braucht es aber «Sicherheitsmargen», wovon die F-35-Gegnerschaft eigentlich genug hat: Am Donnerstag vermeldete das Komitee 116'705 gesammelte Unterschriften. Womit sich die Frage stellt: Wann wird die Initiative eingereicht?

Sie zu stellen, hat im Zusammenhang mit der F-35-Beschaffung eine grosse Brisanz. Die Initiative will nicht weniger als mit einem Urnengang die 6,1 Milliarden Franken teure Kampfjetbeschaffung stoppen, deren Umsetzung eigentlich längst eingefädelt wurde. Im Parlament versuchen bürgerliche Kräfte dies derzeit mit einem finalen Stichtag durchzuboxen: der Bundesrat soll die Beschaffungsverträge für die 36 neuen F-35-Kampfjets bis Ende März 2023 unterschrieben haben. Dieser Turbo-Befehl ist noch nicht in Stein gemeisselt – kommt er aber im kommenden Herbst durch, droht eine politische Schlammschlacht.
Bundesrat brauchte nur einen Monat für Minarett-Initiative

Das Duell wird sich um die Frage drehen, wie schnell Bundesrat und Parlament die Volksinitiative «abstimmungsreif» machen werden. Dieser Prozess kann erst beginnen, sobald 100'000 Unterschriften bei der Bundeskanzlei deponiert wurden. Dies dürfte – so ist aus dem Umfeld des Komitees zu hören – im August erfolgen. Danach wird der Bundesrat seine «Botschaft» veröffentlichen und ans Parlament schicken müssen, wo die üblichen politischen Mühlen mahlen werden.

«Wenn der politische Wille da ist, wäre ein Urnengang im März 2023 möglich», sagt die Grünen-Nationalrätin Marionna Schlatter. Nicht hoffnungsvoll, sondern bestimmt: «Die Minarett-Initiative oder die Corona-Politik zeigte, dass Bundesrat und Parlament schnell arbeiten können, wenn sie die direkte Demokratie ernst meinen: Solange ein Kauf nicht definitiv ist, muss die Bevölkerung das Recht haben, einen schlechten und überteuerten Kampfjet abzulehnen.»

Schlatter erwähnt die Minarett-Initiative, weil aus ihrer Sicht der Bundesrat das grösste Sorgenkind ist: Seine sogenannte «Botschaft» – ein mehrseitiges Dokument, in dem verschiedene rechtliche und finanzielle Aspekte eines politischen Themas durchleuchtet werden – muss vorliegen, bevor das Parlament die Debatte in Angriff nehmen kann. Die Landesregierung lässt sich für diese Arbeit gerne auch mal mehrere Monate Zeit. Bei der Minarett-Initiative schaffte der Bundesrat dies jedoch innerhalb eines Monats.

Schafft der Bundesrat auch bei der F-35-Initiative, so müssten die zuständigen Parlamentskommission die Erläuterungen in Windeseile beraten, da am 12. September bereits die Herbstsession des Parlaments beginnt. Beide Kammern werden danach die Initiative mit grösster Wahrscheinlichkeit ablehnen.

Für den Abstimmungstermin ist das aber irrelevant – wichtig ist nur, dass National- und Ständerat ein gleichlautendes «Nein» zur F-35-Initiative bis spätestens Anfang Dezember unter Dach und Fach haben. Gelingt dieser Plan, so könnte der Bundesrat die Volksabstimmung vier Monate vor dem Urnengang anordnen und sie auf den 13. März 2022 ansetzen.

Die Grünen-Nationalrätin Schlatter ist überzeugt, dass dieser Plan Chancen hat: «Wenn das Parlament Gründe dafür sieht, die Unterschrift für die Kaufverträge vor Ende März 2023 zu erzwingen, dann darf es nicht gleichzeitig eine Volksinitiative dagegen unnötig ausbremsen.» Sie fordert deshalb, dass die Kommissionen, der National- und Ständerat die Volksinitiative auf der Expressspur behandeln.
Initiative könnte für ungültig erklärt werden

Bundesrätin und Verteidigungsministerin Viola Amherd bestritt vor gut einem Monat gegenüber «Le Temps» nicht, dass das möglich ist. Sie warnte jedoch, dass eine Abstimmung vor Ende März 2023 «schwierig» werde, falls die Initiativunterschriften nicht bis Ende Juni eingereicht werden. Einen Monat später dürfte sich dies kaum zugunsten der F-35-Gegnerschaft geändert haben.

Im Gegenteil: Falls auch der Nationalrat die Kaufvertragsunterzeichnung bis Ende März 2023 befiehlt und das Parlament sich Zeit für die Beratung der F-35-Initiative nimmt, könnte der Volksinitiative ein besonders seltenes Schicksal drohen: Sie könnte für ungültig erklärt werden, weil ihre Forderung aus zeitlichen Gründen unmöglich umgesetzt werden kann. Der Initiativtext richtet sich sinngemäss gegen die aktuelle Beschaffung und könnte nur mit Fantasie auch für zukünftige F-35-Beschaffungen verstanden werden.

Passiert ist eine Ungültigkeitserklärung aufgrund der «Undurchführbarkeit» in der Geschichte der demokratischen Volksrechte der Schweiz bislang nur einmal: Ein Komitee versuchte nach dem Zweiten Weltkrieg die Rüstungsausgaben der Schweiz per Volksinitiative zu senken. Wäre sie angenommen worden, wäre das Parlament verpflichtet gewesen, die Armeeausgaben fürs Jahr 1955 oder spätestens 1956 zu halbieren. Die Forderung wurde 1954 mit den notwendigen Unterschriften eingereicht und ein Jahr später vom Parlament für «objektiv undurchführbar» erklärt – weil die Staatsbudgets für die beiden Jahre bereits beschlossene Sache waren.

mit informationen vom Watson

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